Start News Aktionsplan Gesundheitsministerium präsentiert „Aktionsplan zu postakuten Infektionssyndromen“

Gesundheitsministerium präsentiert „Aktionsplan zu postakuten Infektionssyndromen“

Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und KonsumentenschutzFoto: C.Stadler/Bwag, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

50 Empfehlungen für bessere Versorgung bei Long COVID und ME/CFS

Spezialisierte Behandlungseinrichtungen in ganz Österreich, mehr Forschung, Verbesserungen bei den Begutachtungen und bei der sozialen Absicherung: Das sind nur einige der 50 Empfehlungen im “Aktionsplan zu postakuten Infektionssyndromen”, den das Gesundheitsministerium am Dienstag präsentierte. Er wurde auf Empfehlung des Obersten Sanitätsrats vom Gesundheitsministerium gemeinsam mit über 60 Expert:innen erarbeitet.

Ziel ist, die Versorgung von Menschen zu verbessern, die von postviralen Syndromen wie Post bzw. Long COVID oder ME/CFS betroffen sind. “Der Leidensdruck für viele Betroffene ist groß”, betont Gesundheitsminister Johannes Rauch. “Mit dem Aktionsplan legen wir eine Strategie vor, um ihre Lebenssituation Schritt für Schritt zu verbessern.” Die gemeinsame Umsetzung des Aktionsplans startet mit einer Kick-off Veranstaltung im Dezember.

Rund 80.000 Menschen in Österreich leiden Schätzungen zufolge allein an der schwersten Form von gesundheitlichen Folgen einer Infektionskrankheit wie ME/CFS. Das Krankheitsbild solcher postviralen Syndrome ist individuell sehr unterschiedlich. Es reicht von leichten Einschränkungen bis zur totalen Bettlägerigkeit. Eine einheitliche Definition gibt es bis dato nicht.

Um Versorgungslücken zu schließen und die Lebenssituation für Betroffene zu verbessern, hat das Gesundheitsministerium heute einen 60 Seiten starken Aktionsplan für “Postakute Infektionssyndrome” vorgelegt. In die Erarbeitung waren Vertreter:innen der Ministerien, der Bundesländer, Sozialversicherungen, medizinischen Fachgesellschaften, Betroffenen-Organisationen und zahlreiche Expert:innen aus Wissenschaft und Forschung eingebunden. Begleitet wurde der Prozess durch die Gesundheit Österreich GmbH (GÖG).

“8 Handlungsfelder und 50 Empfehlungen: Jetzt liegt unsere Strategie auf dem Tisch, wie wir die Versorgung der Betroffene verbessern”, betont Gesundheitsminister Johannes Rauch. “Es braucht die engagierte Zusammenarbeit aller Beteiligten, um die dringend notwendigen Verbesserungen nun auch umzusetzen. Deshalb war es wichtig, dass wir den Aktionsplan gemeinsam erarbeitet haben.”

Bessere Versorgung als Ziel

Als Handlungsfelder werden im Aktionsplan die einheitliche Definition der Erkrankung, die Verbesserung der Datenlage, Prävention und Diagnostik, die medizinische Versorgung, die Forschung und die Bewusstseinsbildung definiert. Auch nötige Verbesserungen der sozialen Absicherung von Betroffenen sind enthalten. Der Aktionsplan umfasst 50 Empfehlungen an alle Partner:innen im Gesundheitssystem: Ministerien, Länder und Sozialversicherungen, medizinische Fachgesellschaften und die Ärztekammer.

Maßnahmen zur besseren Versorgung

In den nächsten Jahren soll eine einheitliche, pragmatische Definition für Postakute Infektionssyndrome geschaffen werden. Die Datenlage wird auch durch die Schaffung einer Diagnosecodierung im niedergelassenen Bereich verbessert. Auch eine stärkere Verknüpfung vorhandener Daten wird empfohlen.

Gezielte Tests sollen eine schnellere Diagnose von Infektionskrankheiten ermöglichen und den Weg zur richtigen Behandlung verkürzen. Von der Österreichischen Gesellschaft für Allgemeinmedizin bereits entwickelt wurde ein sogenannter Behandlungspfad – also eine Leitlinie für Ärzt:innen und Ergotherapeut:innen, wie bei der Diagnosestellung und Betreuung von Menschen mit postviralen Syndromen am Beispiel von Long COVID vorzugehen ist. Sie soll in den nächsten Jahren auch für andere Gesundheitsberufe weiterentwickelt werden. Der Aktionsplan sieht darüber hinaus den Ausbau von Informations- und Weiterbildungsangeboten für Ärzt:innen und andere Gesundheitsberufe vor.

Als Anlaufstelle für Betroffene werden spezialisierte Behandlungseinrichtungen dezentral in ganz Österreich empfohlen. Zusätzlich sollen an Universitätskliniken hochspezialisierte Versorgungseinheiten eingerichtet werden.

Soziale Absicherung verbessern

Bei der Einstufung von Betroffenen für das Pflegegeld und für den Grad der Behinderung sollen mehr Gutachter:innen mit Expertise zur Verfügung stehen. Auch externe Gutachten sollen stärker herangezogen werden. Damit soll sichergestellt werden, dass Betroffene die nötige soziale Absicherung erhalten. Die Expert:innen empfehlen auch einen kostenlosen Zugang zu bestimmten Gesundheitsdienstleistungen, die für die Behandlung von Menschen mit postviralen Syndromen wichtig sind, und Maßnahmen zur Arbeitsplatzanpassung werden empfohlen.

„Der Aktionsplan zu postakuten Infektionssyndromen ist eine Richtschnur am Weg zu einer angemessenen Versorgung der Betroffenen. Ein zentrales Anliegen war uns darüber hinaus die Sicherstellung eines fairen Zugangs zu den Leistungen der sozialen Absicherung in Österreich”, betont Elisabeth Kanitz, Projektleiterin an der Gesundheit Österreich GmbH.

Schulungen und Forschung intensivieren

Informationsdefizite gibt es derzeit noch bei vielen Ärzt:innen und Angehörigen anderer Gesundheitsberufe sowie Gutachter:innen. Der Aktionsplan empfiehlt deshalb zusätzliche Angebote für Aus- und Weiterbildungen, Möglichkeiten zum Wissensaustausch und Kooperationsmöglichkeiten zwischen den Systempartner:innen. Das ist eine der Aufgaben des Nationalen Referenzzentrums für postvirale Syndrome. Es ist seit Ende September an der Medizinischen Universität eingerichtet. Um die Forschung voranzutreiben, wird etwa auch ein bundesweites Register zu Daten von Patient:innen mit postviralen Syndromen empfohlen.

“Das nationale Referenzzentrum an der Medizinischen Universität Wien fungiert als Wissenshub, um bereits verfügbares Wissen zu postviralen Syndromen zu bündeln und zur Verfügung zu stellen. Täglich wird neues, relevantes Wissen publiziert, dieses muss bewertet und bei Relevanz gut verständlich aufbereitet werden”, betont Eva Untersmayr-Elsenhuber, Leiterin des Referenzzentrums sowie Fachärztin für klinische Immunologie und Expertin im Bereich postviraler Erkrankungen an der Medizinischen Universität Wien.

Informationsmaterialien zu den postviralen Syndromen, zu Anlaufstellen und verfügbaren Hilfsangeboten sollen das Wissen in der Bevölkerung für die Erkrankung stärken. Hierbei soll auch ein Fokus auf Schulen gelegt werden, um speziell jüngere Altersgruppen zu erreichen. Für betroffene Jugendliche soll die Möglichkeit zur Teilnahme am Unterricht verbessert werden.

Gesundheitsminister Johannes Rauch: “Alle wichtigen Player im Gesundheitssystem waren in die Erarbeitung des Aktionsplans eingebunden und bekennen sich zur Umsetzung der Maßnahmen. Mit der Einrichtung eines Referenzzentrums haben wir einen wichtigen Schritt bereits gesetzt, für Dezember ist eine Kick-off-Veranstaltung zur Umsetzung geplant. Ich danke allen Beteiligten, die hier konstruktiv zum Wohle der Patient:innen mitarbeiten, damit die Empfehlungen im kommenden Jahr in die Praxis umgesetzt werden können.”

Zusammenfassung der Handlungsempfehlungen

Definition: Es wird eine pragmatische Einigung auf die einheitliche Verwendung einer Definition für “Postakute Infektionssyndrome“ (PAIS) empfohlen.

Datenlage: Verlässliche Daten bilden die Grundlage für eine bessere Versorgung und soziale Absicherung der Betroffenen. Aufgrund der unzureichenden Datenlage ist die Zahl der betroffenen Patient:innen in Österreich – wie auch international – nicht bekannt. Die Datenlage soll mit der Schaffung einer Diagnosecodierung verbessert werden, die PAIS zu erfassen und eine internationale Vergleichbarkeit ermöglicht.

Prävention und Diagnostik: Die Diagnostik von PAIS ist aufwändig und benötigt ein fächerübergreifendes und spezifisches Verständnis seitens der Angehörigen der Gesundheitsberufe. Empfohlene Maßnahmen in der Prävention und Diagnostik betreffen die Unterstützung von Früherkennung und Differenzialdiagnostik sowie die Abbildung der dafür erforderlichen Verfahren und Maßnahmen im Leistungskatalog der Sozialversicherungen.

Versorgung: Betroffene benötigen einen raschen, flächendeckenden und einfachen Zugang zu angemessener Versorgung, welche direkte ärztliche Behandlung ebenso umfasst wie Angehörige der Pflege-, Gesundheits- und Sozialberufe. Zusätzlich ist der Ausbau telemedizinischer Dienste und aufsuchender Dienste vor allem für schwer erkrankte Patient:innen wichtig. Die Handlungsempfehlungen richten sich an die Bereiche Primärversorgung, fachmedizinische und stationäre Versorgung, Rehabilitation und psychosoziale Betreuung. Die empfohlenen Maßnahmen umfassen unter anderem die Erstellung eines Versorgungspfads, den Aufbau dezentraler transdisziplinärer und multiprofessioneller Anlaufstellen und spezialisierter Behandlungseinrichtungen. Sie sollten langfristig auch an das Nationale Referenzzentrum angebunden werden.

Aus- und Weiterbildung sowie Bewusstseinsbildung: Die Handlungsempfehlungen betreffen die Aufklärung und Bereitstellung von Materialien zur Aufklärung und Information der Bevölkerung, der Betroffenen und ihren Angehörigen, die Aus-, Weiter- und Fortbildungen für Vertreter:innen der Gesundheits- und Sozialberufe sowie Informationen für relevante Stakeholder:innen (z. B. Schulen, Jugendämter, Arbeitgeber:innen und Sozialversicherungsträger). Das Nationale Referenzzentrum für postvirale Syndrome wird hier auf Basis seiner Aufgabe der laufenden Vermittlung von Informationen an in die Behandlung involvierte Angehörige der Gesundheitsberufe ebenso einen zentralen Beitrag leisten. Damit sollen Voraussetzungen für eine bessere Versorgung geschaffen werden.

Soziale Absicherung: PAIS gehen häufig mit finanziellen Belastungen, prekären Lebensbedingungen, sozialen Problemen, Ausgrenzungsgefährdung sowie dem Risiko der Einschränkung sozialer Teilhabe für Betroffene und deren Angehörige einher. Die Handlungsempfehlungen umfassen die Anpassung der Unterstützungsleistungen für Betroffene und pflegende Angehörige sowie den Begutachtungsprozess (z. B. hinsichtlich Versicherungsleistungen oder Arbeitsumfeld).

Forschung und Wissen: Gegenwärtig ist die wissenschaftliche Evidenz zu PAIS in allen Forschungsbereichen noch unzureichend. Zudem gibt es in Österreich aktuell nur wenig systematische und explizite Forschungsvernetzung. Die Handlungsempfehlungen beinhalten unter anderem die Etablierung kompetitiver Forschungscalls, die Förderung interdisziplinärer gesundheitswissenschaftlicher Forschung, die Durchführung prospektiver epidemiologischer Studien sowie die Etablierung und Förderung eines österreichweiten PAIS-Registers.

Besondere Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen: Die Handlungsempfehlungen betreffen die Vereinfachung der Transition im medizinischen Bereich, den Zugang zu Weiterbildung und die Schaffung von Awareness für alle Einrichtungen mit Angeboten für Kinder und Jugendliche sowie die Erarbeitung flexibler, individueller Möglichkeiten für eine Teilnahme am Unterricht für Betroffene.

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