Viel Spass beim Lesen des humoristisch erzählten Jahresrückblicks der Long Covid-Patientin Alexa Stephanou.
Prä-Corona-Zustand:
- sportlich, agil, extrem leistungsfähig
- Schlafbedürfnis von 7,5 Stunden
- zucker- und weizenfreie Ernährung
- keine Mittags- oder Nachmittagstiefs
Immer mindestens 100% gegeben, wenn es Spass machte auch gerne mehr, Freude an allem weil alles war möglich.
Post-Corona-Zustand:
- in der Seele noch immer sportlich
- nach persönlichem Empfinden 40-50% Leistung verglichen zu vorher
- Schlafbedürfnis von 10-12 Stunden und trotzdem müde
- in Wellen auftretende Schmerzen und Energietiefs
Möchte gerne noch immer mind. 100% geben, but guess what, manchmal sagen Körper und Geist einfach „Nein!“.
Noch immer habe ich Freude an vielem, aber ich bin nicht mehr die Alte.
Der Anfang:
Am 10. März jährt sich der Tag, an dem ich die ersten Symptome meiner Covid19-Infektion bemerkte. Und WIE ich die bemerkte. Grippeähnlich? Hm, das ist eine welpenfreundliche Verschönerung dessen, was ich in besagter Nacht verspürt habe. Ich wusste sofort, dass mein Körper mit etwas kämpfte, das ich so noch nicht erlebt hatte.
Zum ersten Mal nach fast 15 Jahren wieder Fieber, dann gleich um die 39 Grad; ein trockener, körperlich anstrengender Husten mit einem starken Druck auf der Brust; sowie Kopf- und Gliederschmerzen in einem Ausmaß, dass ich mich am Liebsten hätte auflösen wollen.
Die Symptome:
In den darauffolgenden Tagen und Wochen kamen einige Symptome hinzu und wechselten sich auch gerne mal ab.
Beschwerden wie der mittlerweile bekannte
- Geruchs-/Geschmacksverlust, der damals noch gar nicht als belegtes Symptom galt
- Gedächtnislücken und Konzentrationsschwierigkeiten, die ich auch noch bis heute zeitweise habe und gerne als „foggy Brain“ umschreibe
- eine Hörminderung, die sich zu einem beidseitigen Tinnitus entwickelte, der bis heute anhält
- Herzrhythmusstörungen, die ich an schlechten Tagen sogar spürte
- diffuse Brustschmerzen, die sich anfühlen, als wären sie ein direkter Gruß meiner Lungenbläschen
- Kurzatmigkeit, teilweise in Ruhe, teilweise bei der geringsten Belastung
- und dann diese alles lahmlegende Erschöpfung, Müdigkeit und Schwäche, die mittlerweile den Namen „Fatigue Syndrom“ trägt. Aber dazu später mehr.
Die Quarantäne:
„Es handelt sich mit ziemlicher Sicherheit nicht um Corona!“ waren die Worte meiner damaligen Hausärztin via Telefon, deren Praxis ich nicht mehr persönlich aufsuchen durfte. Was tun? Achja, da gibt’s ja diese Hotline 1450, na dann, let’s give it a try. Durchwegs freundlich, bemüht und verständnisvoll waren die Damen und Herren bei 1450, leider aber so überlaufen, dass ich teilweise bis zu vier Stunden in der Warteschleife hing. „Sie waren nicht in Asien oder Italien? Dann dürfen wir Sie nicht testen, aber es ist mit ziemlicher Sicherheit kein Corona!“ Wenn das Gesundheitssystem über deinem Bauchgefühl steht.
Der lange Weg zu einem Testergebnis: Nach vier mühseligen Tagen der Überredungskunst und etlichen Anrufen bei der Hotline (ich war mittlerweile registriert und wurde nach wie vor sehr freundlich und verständnisvoll behandelt) wurde mir aufgrund meiner damals 90-jährigen Großmutter und lungengeplagten Mutter, die ich beide am Tag vor meiner Erkrankung noch traf, endlich eine Testung zugesagt. Weitere vier Tage darauf besuchten mich zwei Mitarbeiter des Wiener Roten Kreuzes und nahmen einen Abstrich aus Rachen UND Nase (übrigens ein Lercherlschas im Gegensatz zu einem Zahnarztbesuch, einem gebrochenen Knochen oder einem Schnitt in den Finger mit Papier!) und entschuldigten sich entzückenderweise für die unangenehme Behandlung. Sweethearts!
Weitere fünf Tage später erhielt ich das positive Testergebnis. Eigentlich war ich bereits außerhalb der damals empfohlenen 14 Tage Quarantäne nach Symptombeginn, ich hatte jedoch noch so starke Beschwerden und war zudem sowieso nur so fit wie ein labbriges Salatblatt, dass ich insgesamt 28 Tage in meinen vier Wänden verbrachte.
Ein “Dankeschön” meinen Nachbarn: Währenddessen versorgten mich meine Nachbarn mit Supermarkt- und Apothekeneinkäufen, holten meine Post, brachten meinen Müll weg und stellten mir Selbstgebackenes vor die Tür. Ich glaube die Muffins schmeckten gut, aber mein verlorener Geruchs- und Geschmackssinn nahmen mir diese flaumige Gaumenfreude. (Da hätte ich mir die Kalorien wohl sparen können. Aber es war eh noch lange nicht an die Bikini-Figur zu denken, also rein damit.)
Ich bin meinen Nachbarn unendlich dankbar für deren Hilfe, denn ohne sie, hätte sich jegliche Versorgung von außen, aufgrund des strikten Lockdowns, als sehr aufwendig und kompliziert gestaltet.
Besuch aus dem All: Während meiner Quarantäne musste ich zwei Mal den Ärztenotdienst rufen, da es mir plötzlich so viel schlechter ging. Der Arzt sah aus, als wäre er der Endszene von „E.T.“ entsprungen. Von Kopf bis Fuß in Plastik gehüllt und die Augen blinzelten mich durch eine Schutzbrille an. Es hätte George Clooney sein können, aber der Herr lehnte einen Kaffee ab, also war er’s wohl doch nicht. Fake-Clooney legte mir nahe ins Krankenhaus zu fahren, vor allem solange es noch die Kapazitäten dazu gab. Jedoch aufgrund der damaligen Unwissenheit, wie letal das Virus ist, beschloss ich zu Hause zu bleiben, da ich lieber zu Hause sterben wollte, als im Krankenhaus, sollte es wirklich dazu kommen. Solange meine Sauerstoffsättigung nicht drastisch absackte, würde ich es vermeiden 144 zu wählen. Glücklicherweise konnte ich schlussendlich dem Spital entgehen.
Die Zeit danach:
Dann ging es bergauf, so wie man es postviral auch gewohnt ist, jedoch komischerweise ging es wirklich nur sehr schleppend voran.
Nun standen einige Untersuchungen ins Haus, um Organschäden auszuschließen. Sehr zu schaffen machte mir unter anderem mein Rücken, der mir mit massiven Schmerzen, Wirbelverschiebungen und Verspannungen zeigte, dass ihm die Bettlägerigkeit nicht besonders gefallen hatte.
Zu dem Zeitpunkt war mein Glück, dass ich durch positive Gegebenheiten den Kontakt zu einer Allgemeinmedizinerin bekam, die zusätzlich als Osteopathin und Mikronährstoffärztin praktiziert. Sie ist mit etwas ausgestattet, was für jeden verunsicherten Patienten einen Segen bedeutet: Empathie und Offenheit!
Frau Dr. Susanne Steindl hatte die Gabe, mich in meinem ist-Zustand zu betrachten und demnach zu agieren, ohne mich in irgendeine x-beliebige medizinische Schublade zu stecken, nur um schnell eine Diagnose zu stellen. Natürlich war auch sie aufgrund der Neuheit des Virus damals noch nicht sehr erfahren auf dem Covid-Gebiet, war aber offen Erfahrungen zu sammeln. Es folgten Infusionen, Lasertherapien, Physiotherapie, osteopathische Behandlungen, regelmäßige Blut- und Mikronährstoffuntersuchungen und Gespräche.
Mir war bewusst, dass vieles experimenteller Natur war. Es gab und gibt noch keine vorgegebenen Behandlungspläne, jedoch war für mich alles einen Versuch wert und das Wichtigste: ich fühlte mich von meinen Ärzten und Therapeuten ernst genommen! Leider, wie ich in den letzten Monaten herausfinden musste, ist dies in der Post-Covid-Welt nicht Usus, da ich viele Berichte von Betroffenen gelesen habe, die mit ihren Sorgen in die psychosomatische Ecke geschoben wurden und noch immer werden. Ob hier die Zwei-Klassen-Medizin einen Unterschied macht, lass’ ich jetzt mal dahingestellt (ich bin privat versichert).
Die Post-Covid-Studie:
Bis zum Sommer ging es mir langsam etwas besser, also versuchte ich mich endlich wieder im Sport. Mit ihm kamen die Rückschläge.
Gewohnt von früher, die eigene Leistung zu steigern, indem man immer ein bisserl über seine Grenzen ging, hatte diesmal der Sport zur Folge, dass ich mich danach wieder ein, zwei Tage in die Waagrechte begeben musste. „Bonding mit der Couch“, wie es ein Freund so treffend beschrieb. Das pflegte ich seither in regelmäßigen Abständen.
Irgendwann kamen diese „Rückschläge“ so oft, dass ich den Sport gezwungenermaßen wieder einstellte, da mich auch die Kurzatmigkeit, die bei jeder kleinsten Anstrengung auftrat, sehr einschränkte. Aufgrund dieser, besuchte ich wieder meine Lungenfachärztin, Dr. Michaela Popp. Neben kompetenten Untersuchungen, versorgte sie mich auch durchwegs mit guten Ärzteempfehlungen, sowie wertvollen Artikeln und Side-infos zu Covid19, während sie sich stetig über die neuesten Studien und Ergebnisse informierte. Wieder ein Glück für mich, eine so engagierte und offene Ärztin an meiner Seite zu haben.
Sie war es, die mich unter anderem mit Dr. Ramin Nikzad vernetzte; ein Allgemeinmediziner, der seit Anbeginn der Krise „unermüdlich an der Covid-Front dient“ und seit Ende 2020 gehäuft LongCovid Patienten betreut. Er war einer der Ersten, der sich meinen Verlauf und mein buntes Potpourri an Symptomen anhörte, wissend nickte und meinte: „Klingt nach einem klassischen Verlauf.“ Auf gut Deutsch: er hatte nicht nur Verständnis, sondern er hatte bereits Erfahrung mit Patienten wie mir! Ich kann gar nicht beschreiben welche Flut an erleichternden Glückshormonen mir aus den Ohren schossen bei diesen Worten. Am Liebsten wär’ ich ihm um den Hals gefallen. Aber eh scho wissen, Babyelefant und so.
Frau Dr. Popp war es auch, die mich für eine Post-Covid-Studie an der Pulmologie am Wiener AKH vorschlug, der ich dankend zusagte, in der Hoffnung Antworten zu bekommen. Im Zuge dieser Studie wurden eine Fülle an Blut- und Lungentests durchgeführt, mit dem einzigen Ergebnis, dass meine Lunge organisch gesund sei, jedoch funktional nicht. Hallo Diffusionsstörung.
So paradox das nun klingen mag, aber das Frustrierende am Ende jeder Untersuchung war, dass all meine Werte halbwegs okay waren. Es schien nichts wirklich meinen schlechten Zustand begründen zu können. Bis mein Herz genauer untersucht wurde, um herauszufinden woher die Herzrhythmusstörungen kamen. Resultat: ich war in der Endphase einer Herzmuskel- und Herzbeutelentzündung, die bis dahin unentdeckt blieb, weil ich durchwegs auf Lungenschäden untersucht wurde.
Das Fatigue-Syndrom:
„Endlich“ schien das Kind einen Namen zu haben, bis mich mein Kardiologe davon unterrichtete, dass meine Erschöpfungszustände möglicherweise, aber nicht unbedingt von der Herzentzündung herrührten, da ich mich bereits am Ende dieser befand. Es sollte noch bis Jänner 2021 dauern, bis mein Zustand endlich ein Gesicht bekam.
Und dieses hieß: Long Covid mit Fatigue Syndrom!
Dieses Syndrom ist nichts Neues in der Welt der Medizin, jedoch in Österreich wird ihm bis dato nicht sehr viel Beachtung geschenkt. Es zeichnet sich unter anderem aus durch ein massives Schlafbedürfnis (10-12 Stunden pro Nacht), gefolgt von einem trotzdem erschöpften Erwachen und Erschöpfungszuständen, sodass man seine alltäglichen Tätigkeiten unterbrechen muss. Die Diagnose des Syndroms ist sehr wichtig, da es sich nach körperlicher und psychischer Überbelastung verschlechtert, so wie es auch bei mir seit letztem Sommer der Fall war.
Bei falscher Behandlung läuft man Gefahr CFS (chronisches Fatigue Syndrom) zu bekommen. Woher ich das alles plötzlich wusste? Aus meiner Selbsthilfegruppe.
Die Selbsthilfegruppe:
Bereits im Herbst dachte ich über die Gründung einer Selbsthilfegruppe nach. Mir fehlte, neben infantiler Ausdauer und jugendlicher Atemleistung, der Austausch mit Gleichgesinnten am Meisten.
Ich, als nicht-Insta-Girl und „Blog? Was ist das?“-Fragende, hatte keine Erfahrung auf dem Gebiet der Social Media (außer bisserl Facebook) und leider auch niemanden, der mir dahingehend den Rücken stärkte, um meinen Gedanken in die Tat umzusetzen.
Am 1. Februar 21 fand dann eine junge Dame namens Maarte Preller den Mut, mit Hilfe ihres Freundes, diese lang ersehnte Selbsthilfegruppe „Long Covid Austria“ auf Facebook zu gründen.
Das meiste Wissen über meinen Zustand verdanke ich Maarte und dieser Gruppe. Sie war sehr informativ und ihretwegen fühlte ich mich ermutigt, mich mit der Thematik mehr auseinanderzusetzen und gleichzeitig erkannte ich: ich bin nicht alleine! Bis zu dem Zeitpunkt hörte ich aus der Umgebung meist: „Du bist die Erste, die ich kenne, die Covid19 hatte!“ oder, nach der zweiten Infektions-Welle: „Du bist die Erste, die ich kenne, die SO LANGE Covid19-Beschwerden hat!“ Thanks. For nothing.
Nachdem ich Selbsthilfegruppenmitglied der ersten Stunde war und Maarte administrative Hilfe begrüsste, wurde ich stolzerweise zur Administratorin geschlagen! Und die Gruppe wuchs so schnell, wie der Schnittlauch in Nachbars Garten! Mittlerweile haben wir über 260 Mitglieder, Tendenz massiv steigend.
Im Background arbeiten wir hart daran, von der Welt da draußen gehört zu werden. Long Covid soll als Krankheit im Gesundheitssystem ankommen, damit Betroffene keinen Kampf mehr ausfechten müssen, weder mit Krankenkassen, Arbeitgebern, noch mit Ärzten, die nicht so offen sind wie mein Ärztepool. Wenn man krank ist, sollte man Hilfe bekommen und nicht darum kämpfen müssen!
Die Reha:
Meine pulmologischen, kardiologischen und mittlerweile auch psychischen Schwierigkeiten veranlassten mich über eine Reha nachzudenken, zu der mir mein Kardiologe, Dr. Andreas Strouhal, ebenfalls riet. Auch er wurde mir von Frau Dr. Popp empfohlen und ist ein fester Bestandteil meines Glückspools an Ärzten. Fachlich wie menschlich einfach großartig, mit der perfekten Prise Humor. Ja, tatsächlich, es gibt auch Ärzte die einfach wirklich lustig sind, ohne sich an Facharztwitzen bedienen zu müssen, die eh kein Patient versteht. Heureka!
So füllten wir gemeinsam im Dezember 20 den Reha-Antrag aus, zu dessen Versand ich mich aber erst im Jänner 21 entschließen konnte, da die Frage aufkam: welche Reha ist für mich die richtige? Ich sei keine typische Herzpatientin und auch die Lunge sei „nur“ funktional beeinträchtigt. Also recherchierte ich und erfuhr, dass es bereits Zentren gab, die spezielle Post-Covid-Rehas anboten. Somit kreuzelte ich am Antrag kurzerhand „Sonstiges“ an und schrieb „Post-Covid“ ins freie Feld.
Unglaubliche fünf (5!) Tage später hatte ich meinen bewilligten Antrag im Postkastl. Aber, welch` Ernüchterung: eine Bewilligung als Lungenpatientin in einem Reha-Zentrum, das keine explizite Post-Covid-Reha anbot. Mein Wunschzielort konnte mir laut PVA aus terminlichen Gründen nicht gewährt werden.
Es folgten fast sechs Wochen des Schriftverkehrs, wobei ich meine Anliegen per Mail bei der PVA einbrachte, diese wiederum aber aufgrund des Datenschutzes per Post antworten musste. Mit der guten alten Brieftaube wäre es reibungsloser verlaufen.
Meine Anträge auf Änderung zu einer Post-Covid-Reha wurden reihum abgelehnt, bis ich keinen Ausweg mehr sah und mich an die Ombudsstelle der PVA wandte. Und da geriet ich an einen Dienstengel namens „Herr Irsa“. Herr Irsa bewerkstelligte innerhalb weniger Tage, was ich über Wochen nicht zu erzielen vermochte. Meine Reha wurde umgeschrieben und ich bekam ein Zentrum bewilligt, in dem schon seit letztem Herbst Post-Covid-Patienten behandelt werden.
Angesichts meines zugewiesenen Reha-Starts am 08.06., ließ ich mich am Montag den 22.02. sogleich auf die Warteliste setzen, für den Fall, dass jemand kurzfristig absagte. Resultat: zwei Stunden später erhielt ich einen Anruf, dass am Donnerstag den 25.02. jemand ausgefallen sei, ob ich den Platz übernehmen wolle. Ja, Mann, JA!
Das Heute:
Und hier bin ich nun. 37 Jahre alt. Ein Jahr nachdem ich krank wurde. Zum ersten Mal in meinem Leben auf Rehabilitation. Jeden Tag begrüßend, egal ob es ein guter oder schlechter ist. Umgeben von hilfsbereiten, zuvorkommenden Menschen, die mir helfen wollen, aber es aufgrund der Neuheit der Krankheit nur bis zu einem gewissen Grad können.
Der Sinn:
Alles passiert aus einem Grund. Einer davon ist hier meine Geschichte in geschriebene Worte zu fassen, um hoffentlich die Aufmerksamkeit auf eine neue Erkrankung zu lenken, die einfach nur anerkannt werden will.